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Metaphern in der Kommunikation der österreichischen Bundesregierung

Sprache ist ohne Metaphern nicht vorstellbar. Sie helfen uns dabei komplexe Phänomene leichter verständlich zu machen und können dadurch zur Konstruktion von Wirklichkeit beitragen. Für unser Forschungsprojekt standen zwei Dimensionen der Wirklichkeitskonstruktion durch Metaphern im Zentrum: die Aneignung von Wissen einerseits und Diskriminierung und Ausgrenzung andererseits. Wie schon in anderen Pandemien kann auch bei der Covid-19 Pandemie beobachtet werden, dass sich einerseits Teile der Bevölkerung mit Hilfe wissenschaftlicher Metaphorik ein tieferes Verständnis für das Pandemiegeschehen aneignen und andererseits Metaphern zur Abwertung bestimmter Gruppen genutzt werden. Zur Untersuchung von Metaphern im öffentlichen Diskurs haben wir in einem fünfköpfigen Forschungsteam 16 Pressekonferenzen der zentralen Kommunikatoren der österreichischen Bundesregierung zur Corona-Pandemie zwischen März und Oktober 2020 auf die Verwendung von Metaphern untersucht. Hierfür wurden uns die Transkripte dieser Pressekonferenzen der Bundesregierung durch die Redaktion des Standards, die sich ebenfalls mit der Regierungskommunikation auseinandergesetzt haben, zur Verfügung gestellt [1] Als vereinendes Merkmal besaßen diese, dass Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Werner Kogler, Gesundheitsminister Rudolf Anschober und Innenminister Karl Nehammer vertreten waren.

Die meisten Metaphern konnten bei der statistischen Auswertung beim Gesundheitsminister gezählt werden. Von den 364 gefundenen Metaphern entfallen etwa 35% auf Rudolf Anschober, sein grüner Parteikollege Werner Kogler muss sich hingegen mit circa 15% mit dem letzten Platz begnügen. Die ÖVP-Politiker liefern sich untereinander ein etwas engeres Rennen, das Bundeskanzler Kurz jedoch letztendlich für sich entscheiden kann mit (Kurz: ca. 30%, Nehammer: ca. 20%).

Feindbestimmung und Schuldzuschreibung

Betrachtet man die Regierungskommunikation zur Covid-19 Krise genauer, fällt eines sofort ins Auge: die Dominanz kriegerischer Metaphorik. So wird unter anderem von einer „Strategie des Schutzes” [2], „Maßnahmenkaliber” [3] und vom „Kampf” [4] gegen das Virus gesprochen. Das Ziel ist klar: Man will das Virus wahlweise „besiegen” [5], „bekämpfen” [6], „auslöschen” [7], „ausrotten” [8] oder „verschwinden” [9] lassen. Nachdem das Gebiet Österreichs lange Zeit, bis auf die jährliche wiederkehrende Grippewelle, von Epidemien oder gar Pandemien kaum berührt wurde, erscheint eine solche martialische Sprache als neu und ungewohnt. Tatsächlich hat aber die Verwendung von Kriegsmetaphern und die Inszenierung von Viren als heimtückische Feinde im deutschsprachigen Raum eine lange Geschichte: Mit der Etablierung der modernen Bakteriologie Ende des 19. Jhd. wurde sie ein fester Bestandteil des (populär)wissenschaftlichen Diskurses. Ein bekannter historischer Referenzpunkt stellt hierfür beispielsweise die Spanische Grippe dar. Aber warum eine so martialische Sprache? Dies ist vor allem auf zwei Gründe zurückzuführen. Einerseits entstanden die Disziplinen in der hoch militarisierten deutschen Gesellschaft, andererseits wegen des militärischen beruflichen Umfelds der damals führenden Mediziner. Auf dieses um 1900 entwickelte sprachliche Repertoire wurde während der Corona-Pandemie von den Regierungsmitgliedern zurückgegriffen. Spannend war in dieser Hinsicht besonders die Tatsache, dass diese Metaphern im Speziellen von Innenminister Nehammer inflationär verwendet wurden, was unter anderem durch seinen Soldaten-Hintergrund erklärt werden könnte.

Jedoch auch mathematische oder wissenschaftliche Metaphern wie jene des „Cluster“ [10] ermöglichen eine Verortung der Bedrohung durch das SARS-CoV-19 Virus. Auffallend dabei ist, dass im Sommer 2020 diese entweder dem privaten Bereich zugeordnet wurden oder auf ein „Einschleppen aus dem Westbalkan“ [11] oder „in Freikirchen und in gewissen Religionsgemeinschaften mit Wurzeln dort und anders“ [12] zurückgeführt wurden. Durch eine vermeintliche Nachvollziehbarkeit der Ansteckungen über eine Verortung in „Cluster“, wird Kontrolle der Regierung über die Krisensituation suggeriert. Darüber hinaus werden in den Bevölkerungsschichten Sündenböcke ausgemacht, die als ursächlich für die Pandemie angesehen werden.

Im Kontext einer solchen Schuldzuschreibung findet sich eine Metapher, die auf eine weitere lange und unrühmliche Tradition und Gegenwart zurückblickt: die „Balkan-Infektionen” [13]. Diese Metapher knüpft an seit langer Zeit bestehende antisemitische, rassistische und antiziganistische Diskurse einer angeblichen Einschleppung von Krankheiten aus dem Osten, hier der Südosten, an.

Während also von Einschleppungen aus dem Osten gesprochen wird, wurde gleichzeitig eine weitere neue Form von Metaphern zur Beschreibung europäischer Dynamiken der Covid-19 Krise geschaffen: Die Staatennamen Italien und Spanien werden zum Sinnbild der Katastrophe gemacht, wodurch die Verwendung von Metaphern wie „italienische Verhältnisse” [14] und „Italien” [15] keiner weiteren Erklärung mehr bedürfen.

Richtungsweisung und Identitätsstiftung

Bestimmte Metaphern, beispielsweise aus den Bereichen Verkehr, Sport oder Wissenschaft, repräsentieren Dynamik und Fortschritt und bieten einen leicht zugänglichen Orientierungsrahmen. Metaphern aus diesen Bereichen sind im Sprachgebrauch weit verbreitet und werden auch in der Regierungskommunikation gerne aufgegriffen.

Die „Corona-Ampel“ [16] beispielsweise veranschaulicht, wie Metaphern bewusst zur Komplexitätsreduktion eingesetzt werden können. Die „Corona-Ampel“ sollte einen Überblick über die Risikobewertung in einzelnen Regionen geben, samt den jeweils geltenden Maßnahmen. Mittels einer von vier Farben wurde diese weitreichenden Entscheidungen der Bevölkerung mitgeteilt. Andere Metaphern werden, im Gegensatz zur “Corona-Ampel” im alltagssprachlichen Gebrauch kaum mehr als solche wahrgenommen. So beispielsweise „die Kurve“ [17]. Diese wurde zur Visualisierung des Pandemiegeschehens immer wieder herangezogen, um die politisch gesetzten Maßnahmen zu legitimieren. Damit wurde suggeriert, dass nicht die politischen Entscheidungsträger, sondern die vermeintlich objektiv darstellende Kurve der Auslöser und Richtungsweiser für die politischen Maßnahmen ist. Sport-Metaphern werden häufig in der Unternehmenskommunikation verwendet, wo sie eingesetzt werden, um den Zusammenhalt unter den Mitarbeiter*innen zu stärken, und sie zu mehr Leistung zu motivieren. Auch mit der Metapher des „Team Österreichs“ [18] soll die Bevölkerung zu der gemeinsamen Einhaltung der Maßnahmen und Empfehlungen der Regierung angehalten werden. Gleichzeitig schließt der Begriff all jene aus, die sich nicht in diesem Team befinden. Begriffe wie „Team“ und „Wettkampf“ [19] suggerieren, dass auf ein gemeinsames Ziel hingearbeitet wird, wobei dieses während der Corona-Krise nicht konstant blieb und auch nicht immer klar kommuniziert wurde. Auffallend war dabei, dass gerade Werner Kogler seine Rolle als Sportminister in dieser Hinsicht besonders ernst nahm, die Sport-Metaphern waren bei ihm das beliebteste Mittel zur Kommunikation der Corona-Pandemie.

Die Metapher der „neuen Normalität“ [20] deutet Dynamik und Fortschritt, sowie eine positive Perspektive auf einen Ausnahmezustand an. Dabei wurde für die Corona-Pandemie angenommen, dass diese noch lange vorherrschen wird. Deshalb sollten die neu geltenden Regeln als Ausdruck einer neuen Form von Normalität und nicht als permanenter Krisenzustand wahrgenommen werden. Mund-Nasen-Schutz und Abstand halten, sollen auch eine Rückkehr zu einem normalen Leben „das wir in Österreich gewohnt waren und das wir alle so lieben“ [21] ermöglichen. Lebensrealitäten von Bevölkerungsteilen, die im Zuge der Verbreitung von Corona mit existentiellen Schwierigkeiten konfrontiert sind und bereits vor der Pandemie waren, bleiben durch dieses Sprachbild ausgeklammert. Metaphern sollen nicht nur eine positive Deutung der Lebensrealität ermöglichen, sondern sie sollen auch Hoffnung wecken auf „eine Zeit nach dem Virus”. Dies wurde auch mit der Verwendung von religiösen Metaphern wie dem „Licht am Ende des Tunnels” [22] und der „Wiederauferstehung” [23] versucht.

Zusammenfassung

Um die Bevölkerung über neue Entwicklungen und Regelungen im Zuge der Covid-19 Krise zu informieren, wurden zahlreiche Pressekonferenzen abgehalten. In den analysierten Pressekonferenzen bedienen sich die Akteure einer Vielzahl von Metaphern. Während viele dieser Metaphern unbewusst und unreflektiert verwendet werden, da sie eine wesentliche Komponente unseres Sprachgebrauchs darstellen, kann davon ausgegangen werden, dass Metaphern wie zum Beispiel die „Corona-Ampel“ Teil einer offiziellen Kommunikationsstrategie sind.

Die „Corona-Ampel“ sowie mathematische Metaphern wie die „Kurve“ werden eingesetzt, um das komplexe Infektionsgeschehen greifbarer zu machen und die gesetzten Ziele der Maßnahmen nachvollziehbar zu machen. Metaphorik aus dem Sportwesen wird, ähnlich wie in der Unternehmenskommunikation, verwendet, um die Bevölkerung zu motivieren, sich solidarisch an die Befolgung der neuen Regelungen sowie Empfehlungen seitens der Regierung zu halten. Kriegsmetaphorik, die im deutschsprachigen Kulturraum im Umgang mit Krankheiten üblich ist, wirkt hingegen bedrohlich und kann die Bevölkerung zur Gehorsamkeit zwingen, da sie einschüchternd wirkt. 

Auffallend ist auch, dass über Metaphern Schuldige identifiziert werden, die für die fehlenden Erfolge der Maßnahmen verantwortlich sein sollen. Ob diese Anschuldigungen nun berechtigt waren oder nicht, solche Metaphern schaffen eine Abgrenzung zu gewissen Personengruppen und lenken von etwaigen Versäumnissen der Regierung ab. Es konnte auch eine starke Orientierung an anderen Staaten festgestellt werden, wobei meist Länder mit höheren Infektionszahlen oder Mortalitätsraten als Negativbeispiele angeführt wurden.

Diese Zusammenfassung der durchgeführten Untersuchung stellt lediglich eine Annäherung an eine tiefergehende Analyse der Regierungskommunikation dar. Trotz ihres beschränkten Rahmens konnten allerdings metaphorische Grundmuster dieser Kommunikation sichtbar gemacht werden.

Verweise

[1] Yeoh, Daniela / Matzenberger, Michael / Kienzl, Sebastian: Wie die Regierung kommuniziert, Teil eins: "Frei erfunden sind Gerüchte von Ausgangssperren", in: DerStandard, 29.10.2020, online unter:

https://apps.derstandard.at/privacywall/story/2000119765524/wie-die-regierung-kommuniziert-teil-eins-frei-erfunden-sind-geruechte (letzter Zugriff: 26.02.2021)

 

[2] Anschober am 28.4.2020

[3] Kogler am 4.9.2020

[4] z.B. Kurz am 18.3.2020

[5] Kurz am 30.3.2020

[6] Nehammer am 11.9.2020

[7] Kurz am 6.4.2020

[8] Kurz am 30.3.2020

[9] Kurz am 30.3.2020

[10] z.B. Anschober am 28.4.2020

[11] Kurz am 21.7.2020

[12] Kurz am 21.7.2020

[13] Kurz am 21.7.2020

[14] Kurz am 30.3.2020

[15] Kurz am 24.3.2020

[16] z.B. Kogler am 21.7.2020

[17] z.B. Anschober am 28.4.2020

[18] z.B. Kurz am 13.3.2020

[19] Kogler am 4.9.2020

[20] Kurz am 14.4.2020

[21] Kurz am 14.4.2020

[22] z.B. Kurz am 11.9.2020

[23] Kurz am 6.4.2020

Ausgewählte Literatur

  • Berger, Silvia (2009): Bakterien in Krieg und Frieden. Eine Geschichte der medizinischen Bakteriologie in Deutschland 1890-1933. Göttingen: Wallstein.
  • von Contzen, Eva; Griem, Julika (2020): „Liste und Kurve: Die Macht der Formen.“ In: Kortmann, Bernd; Schulze, Günther G. (Hgs.) (2020): Jenseits von Corona. Bielefeld: transcript Verlag. 243 – 251.
  • Epstein, Steven (1996): Impure Science: AIDS, Activism, and the Politics of Knowledge. Berkeley: University of California Press. eBook Collection.
  • Hülsse, Rainer (2003): „Sprache ist mehr als Argumentation.“ Zeitschrift Internationale Beziehungen 10(2): 211-247.
  • Sarasin, Philipp; Berger, Silvia; Hänseler, Marianne; Spörri, Myriam (Hgs.) (2007): Bakteriologie und Moderne. Studien zur Biopolitik des Unsichtbaren 1870-1920. Frankfurt: Suhrkamp.

Quellen

Die untersuchten Pressekonferenzen sind auf dem YouTube Kanal des Bundeskanzleramt Österreich zu finden: 

Zeitfenster: 10.03.2020 - 19.10.2020 

Transkripte der untersuchten Pressekonferenzen befinden sich im Besitz der Verfasser*innen. 

Unser Dank geht an die Redaktion des Standard für das zur Verfügung stellen der Transkripte.